Leben

Die Orchidee aber bitte nur ganz wenig gießen

Von Anna am 26. July 2015

In Berlin einen großen Balkon sein Eigen zu nennen, ist ein Segen. Umso mehr, wenn man - wie ich in diesem Sommer - auf das Reisen verzichten muss. Den Kaffee morgens in der Sonne zwischen wogenden Pflanzen zu trinken, ist für mich das Größte und der perfekte Start in den Tag - ich freu mich wirklich mitunter Abends schon darauf.

Die Bienchen, die Blümchen - da bin ich ganz Hippie, das macht mich froh. Unser Balkon ist ein Traum: Groß und mit herrlichem Blick über Kreuzberg und den Park. Nachts kann man das Plätschern vom Wasserfall hören - absurd schön.

Pflanzen auf dem Balkon
Kaffee und Mühle

Beim Begrünen befällt mich eine gewisse Maßlosigkeit:

Marc lacht mich in jedem Frühjahr aus, in dem ich versuche zu verargumentieren, dass es da noch ein freies Plätzchen gibt, das bepflanzt werden will. Ich habe sogar einen gut tragenden Kirschbaum in einem überdimensionalen Kübel, von dessen Früchte ich jeden Frühsommer mit den Amseln um die Wette esse.

Füße im Pool
Füße im Pool
Trinkbecher mit Strohhalm

Klirrende Eiswürfel in Gläsern, an denen die schwüle Sommerluft kondensiert

So lässt sich der Sommer auch gut in der Stadt verbringen. Wenn wir bei Hitzewellen sogar zu faul sind, um an den See zu fahren, stellen wir uns einen aufblasbaren Kinderpool auf den Balkon und bewegen uns nur ganz minimal zwischen Eisfach und Planschbecken hin und her. Der Duft von Sonnenmilch in der Luft, klirrende Eiswürfel in Gläsern, an denen die schwüle Sommerluft kondensiert und das Wochenende wirkt fast wie ein kleiner Urlaub. Und wenn mich doch die Unruhe packt, kann ich vom Balkon aus schauen, ob in meinem Lieblingscafe grad schon Freunde sitzen (ist immer zutreffend).

Kirschbaum auf dem Balkon

Soweit so gut

Pflanzen im Generellen und Kirschbäume im Besonderen wollen gegossen werden. Da sind sie nicht besonders kompromissbereit. Solange ich in der Stadt bin, ist das überhaupt kein Problem, wir sind da ein eingespieltes Team. Ich gieße - Kirschbaum spendet Schatten - soweit so gut. Lockt die Ferne wegen Arbeit oder Reiselust und ich verlasse Berlin, Wohnung und Balkon für längere Zeit, so packt mich der Balkon-Sitter-Stress. Denn eigentlich kann man den Aufwand, den ich betreibe um mein Biotop am Leben zu halten, niemandem zumuten. Im Ernst.

Da hilft es auch nicht wirklich, dass wir mittlerweile einen Gartenschlauch haben, der das Kannenschleppen erübrigt. „Kannst Du dann bitte nächste Woche jeden Tag in meine Wohnung dackeln und Gärtner spielen“ geht mir schwer über die Lippen und ich bin unendlich dankbar, wenn diese Menschen dann auch ab und zu unterwegs sind und ich ihre Balkonkästen wässern und mich revanchieren darf. Vielleicht hab ich ja Glück und sie schaffen sich alle noch Haustiere mit komplizierten Fütterungszeiten an.

danke Gießkanne

In diesem Sinne widme ich diesen Eintrag all Jenen, die immer noch darauf verzichten, sich Ausreden für den Fall parat zu legen, wenn ich anrufe und rumdruckse, dass in der nächsten Woche ja eine Hitzewelle angekündigt wurde… Besonders der anderen Anna im 6. Stock.

Anna Bojic ist Gründerin und Geschäftsführerin von MERISIER.